Pferdeprofi Sandra Schneider im Interview: „Ich sehe es als meine Mission an, dass die Welt ein besserer Ort für Pferde wird“

Sandra Schneider arbeitet seit 2004 als selbstständige Pferdetrainerin. Ihre Trainerausbildung hat sie im US-Bundesstaat New Mexico absolviert. Dort lernte sie bei Katrin Silva und Scott LaFevres alles übers Westernreiten, wie man junge Pferde einreitet und wie man mit „Problempferden“ umgeht. Sandra Schneider studierte außerdem am Internationalen Institut für Pferde­kommuni­kations­wissen­schaft (IIPKW).

Einem breiten Publikum wurde Sandra durch die Fernsehsendung „Die Pferdeprofis“ bekannt. Sie war darin von 2012 bis 2018 gemeinsam mit Bernd Hackl zu sehen. In der Sendung geht es um die Therapie von „Problempferden“ und wie man gemeinsam mit dem Partner Pferd alle Herausforderungen meistern kann.

Foto: Sandra Schneider

Der Pferdepodcast: Es ist kurios – durch die „Pferdeprofis“ warst Du uns gefühlt über Jahre hinweg immer irgendwie nahe. Ein häufiger Gast in unserem Wohnzimmer. Seit Du die Sendung verlassen hast, bist Du für uns quasi auch von der Bildfläche verschwunden. Geht es Dir gut? Und machst Du immer noch was mit Pferden?

Sandra Schneider:

Ja! Also die Pferdeprofis waren ja nur ein minikleiner Teil von dem, was ich mache. Und ich mache nach wie vor genau das gleiche wie vorher, nur dass nicht immer ständig das Fernsehen dabei ist. Ich trainiere nach wie vor Problempferde, ich bilde junge Pferde aus, ich gebe Seminare und Kurse, ich habe eine Akademie für ganzheitliches Pferdetraining ins Leben gerufen.

Mir ist es nicht langweilig. Ich bin sehr aktiv im Pferdebereich.

Und mit dem Fernsehen fehlt Dir offensichtlich auch nichts. Du hörst Dich total fröhlich und zufrieden an…


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Du kannst die neue Folge aber auch über YouTube anhören. Klicke dafür bitte einfach unten auf das YouTube-Video. Viel Vergnügen:


Ja. Also ich bin umgezogen mit meinen Pferden, und wir sind hier sehr sehr glücklich. Die Pferde haben hier wahnsinnig viel Platz, was mir superwichtig ist. Und wenn meine Pferde glücklich sind, dann bin ich auch glücklich. Es ist einfach total schön im Moment, und es könnte echt nicht besser sein. Es ist wirklich alles toll.

Dein neuestes Projekt ist Deine Akademie für Pferdetrainer – oder?

Genau. Die Akademie habe ich im März 2018 gegründet. Der erste Trainerjahrgang hat im März 2019 die Prüfung gemacht. Das sind neun Trainer, die jetzt in ganz Deutschland und Österreich unterwegs sind und Pferde trainieren.

Die Akademie ist aus dem Wunsch heraus entstanden, wirklich viele Pferde mit Verstand und Liebe auszubilden. Als ich damals meine Ausbildung zum Trainer machen wollte, habe ich leider feststellen müssen, dass mir die Ausbildung bei den Verbänden überhaupt nicht ausreicht. Wirklich überhaupt nicht. Da lernt man nichts über Pferdeverhalten. Man lernt nichts über die Psychologie oder über alternative Trainingsweisen. Man lernt nichts Vernünftiges über Fütterung, Haltung und wenig über biomechanische Ansätze, die reitweisenübergreifend bei jedem Pferd funktionieren und ganz wichtig sind.

Das war mir alles viel zu wenig. Deshalb habe ich damals schon einen alternativen Bildungsweg eingeschlagen. Ich meine, ich komme sehr viel rum und sehe immer wieder Pferde, die von professionellen Trainern dermaßen versaut wurden, dass die Besitzer mit ihnen nichts mehr anfangen können. Und das geht nicht. Das ist ein Unding. Und es gibt so wenig Trainer, die den Pferden wirklich helfen können, wenn die irgendwas haben. Deshalb habe ich irgendwann gesagt, es geht nicht mehr, ich muss selbst Trainer ausbilden, weil ich so viele Anfragen. Und ich kann mich nicht fünfteilen. So ist diese Akademie entstanden, und jetzt sind meine eigenen Trainer unterwegs und tragen meine Philosophie weiter und ich hoffe, dass sich dadurch nach und nach in der Pferdewelt wirklich etwas verändert.


Du würdest dem Pferdepodcast gerne finanziell etwas Gutes tun? Das musst Du nicht. Nein, wirklich nicht. Du willst uns trotzdem gerne ein paar Euro zustecken, weil es ja auch technische Kosten gibt und Du magst unseren Podcast halt einfach gut leiden und wir sollen uns jetzt mal nicht so anstellen? Also gut, dann mach mal. Hier:


Man kann sich bei Dir also auch weiterhin auch weiterhin zum Trainer ausbilden lassen?

Ja das kann man. Gerade läuft der zweite Jahrgang. Der nächste Jahrgang startet im März 2020. Dafür kann man sich bewerben. Es gibt auch schon zwei Infoveranstaltungen im Sommer und im Herbst, zu denen man gehen kann und sich informieren kann. Eine Erstinformation gibt es auch im Internet. Dort kann man ein Infopaket anfordern und sich erstmal informieren, worum es überhaupt geht.

„Oft werden junge Pferde einfach überfordert“

Sandra, wenn wir über die Arbeit mit jungen Pferden sprechen: Gibt es aus Deiner Sicht Kardinalfehler die immer wieder gemacht werden. Anders gefragt: Was ist bei der Arbeit mit jungen Pferden besonders wichtig?

Oft werden junge Pferde einfach überfordert und haben kein Mitspracherecht, sage ich mal. Was ganz häufig passiert: Tinker, die vom Händler kommen, meistens aus Irland, sind jung, angeritten – aber völlig unreitbar. Bei Tinkern denkt man immer, ja ja, die können viel vertragen. Aber das sind hochsensible Pferde. Wenn man die überfordert dadurch, dass man zu schnell vorgeht und Schritt zwei macht obwohl Schritt eins noch überhaupt nicht sitzt, dann hat man irgendwann ein echtes Problem. Und das ist nicht nur bei den Tinkern so, sondern auch bei anderen Pferden, die in der Grundausbildung sind.

Man möchte ja vielleicht auch in drei Monaten aus einem rohen Pferd ein reitbares Pferd machen, das in allen drei Grundgangarten reitbar ist. Die Besitzer haben wenig, die Trainer haben wenig Zeit. Und dann wird das Pferd einfach zu schnell mit Dingen konfrontiert, mit denen es noch nicht klarkommt. Es wird nicht gefragt, ob das in Ordnung ist. Und dann passieren solche Sachen, dass man sich auf das Pferd drauf setzt, obwohl es noch gar nicht bereit ist.

Ich meine, ich habe nur eine Chance, ein junges Pferd anzureiten. Nur eine einzige. Und wenn das schief geht, dann habe ich erstmal ein Riesenproblem. Deshalb finde ich gerade die Ausbildung von jungen Pferden so wichtig, denn man legt wirklich den Grundstein für das gesamte spätere Pferdeleben. Deshalb ist es eine große Vertrauenssache, wer mein Pferd ausbildet und wie das gemacht wird. Und bei mir haben die jungen Pferde immer Mitspracherecht. Ich schaue immer, sind die einverstanden?

Das heißt: Wenn ich solche Aufstiegsspielchen mache und mich mal drüber lehne, mit dem Bein mal drüber gehe und so weiter – das Seil hängt immer durch. Ich halte die nie fest, wenn ich mich das erste Mal draufsetze. Die müssen freiwillig stehen bleiben. Bleiben sie nicht freiwillig stehen, dann sind sie noch nicht so weit. Was nicht sein kann, ist ein Pferd zu haben, egal ob alt oder jung, das ich festhalten muss, damit ich aufsteigen kann. Das ist ja wie eine Vergewaltigung. Da rege ich mich mega auf, wenn ich sowas sehe. Denn ich möchte das Pferd ja nicht ohne seinen Willen besteigen. Es soll ja einverstanden sein.

Deshalb muss viel mehr darauf geachtet werden, dass die Pferde einverstanden sind mit dem, was wir machen, bevor wir die überfordern. Oft merken die Leute das nicht, wenn sie ein introvertiertes Pferd haben. Das sagt ganz lange nichts und plötzlich explodiert es. Die Leute sagen dann, der war doch ganz lieb und plötzlich explodiert er. Nein: Der war nicht ganz lieb, und die Leute haben vorher schon drei rote Ampeln überfahren. Das sind Dinge, die ganz oft falsch gemacht werden, aus mangelndem Sachverstand und aus mangelnder Erfahrung. Oder, weil es schnell gehen muss.

Weil Du eingangs von Tinkern gesprochen hast – es ist ganz spannend, wir hatten in der vergangenen Woche mit Hörerin Kira gesprochen. Ihr wurde ein Tinker als fünfjährig und angeritten verkauft, obwohl beides nicht stimmt. Er war offensichtlich viel jünger und konnte noch gar nichts. Es ist wirklich haarsträubend, was in der Pferdewelt manchmal passiert….

Ja, das ist leider so. Absolut.

„Haflinger sind keine Anfängerpferde“

Nun hast Du mit Haflingern nicht nur Erfahrungen, sondern Du besitzt sogar selber einen, den Leonardo Legolas. Da wir ja auch eine Art Haflinger-Podcast sind, gehen wir davon aus, dass das natürlich Dein Lieblingspferd ist. Mindestens das cleverste…

(Lacht) Das ist immer wie bei einer Mutter. Die kann ja auch nicht sagen, welches Kind ihr liebstes ist. Das schwankt ja auch immer so ein bisschen. Aber der Haflinger ist natürlich sehr besonders. Es wird auch überhaupt nicht langweilig mit dem. Er ist jetzt 18 und es ist so lustig mit ihm. Gestern hatten wir wieder so ein Erlebnis. Ich habe den seit elf Jahren, und er steht im Offenstall immer mit anderen Pferden zusammen. Da ich in den letzten Jahren immer eine eigene Anlage hatte mit Praktikanten und Azubis, sind wir meistens mit mehreren Pferden zusammen raus gegangen.

Ich habe es also vernachlässigt, alleine mit ihm ausreiten zu gehen. Das mache ich jetzt gerade wieder. Und das findet er ganz furchtbar, weil er ist auch Herdenchef. Sich von der Herde zu trennen, das sieht er erstmal gar nicht ein. Wenn wir zusammen los gehen, brüllt er mir ins Ohr, dass ich glaube, gleich einen Tinitus zu bekommen. Dann setze ich mich irgendwann drauf nach ein paar Minuten. Dann versucht er, sich und mich umzubringen, merkt dann aber, okay, es geht nicht und es kostet mich sehr viel Energie, dann bin ich halt brav. Und dann können wir reiten. Also der ist echt mega-lustig. Und die Haflinger sind ja auch meinungsstark und oft keine Anfängerpferde. Die machen schon Spaß (lacht).

Oh ja, wir wissen wovon Du sprichst… Sandra, wir würden gerne noch einmal kurz auf Deine Vita zu sprechen kommen. Bevor Du Dich hauptberuflich mit Pferden beschäftigt hast, hattest Du auch einen sehr spannenden Beruf. Du warst im diplomatischen Dienst für die Bundesrepublik Deutschland im Ausland. Auch das klingt ja auch total spannend…

Ach, das war superspannend! Das war so eine aufregende Zeit, die ich auch überhaupt nicht missen möchte. Ich habe mit 19 meine Ausbildung auf einer kaufmännischen Fremdsprachenschule beendet. Ich bin relativ sprachbegabt, dafür kann ich gar nichts mit Zahlen anfangen. Und ich kam aus einem ganz kleinen Dorf im Westwald und wollte immer raus, und zwar so weit raus wie möglich.

Dann habe ich mich beim Auswärtigen Amt beworben und war in Dritte-Welt-Ländern unterwegs, in Afrika und Mittelamerika, und war dort immer die Vorzimmerdame des deutschen Botschafters (lacht). Das waren immer ganz kleine Botschaften mit vielleicht zehn oder 15 Leuten, wo man wirklich alles mitbekommen hat. Das war wirklich extrem spannend.

Mein erster Auslandsposten, da war ich 20, war in Ruanda, und zwar direkt nach dem Bürgerkrieg, in dem sich Hutus und Tutsis gegenseitig abgeschlachtet haben. Da ist jetzt gerade der Jahrestag gewesen, das ist jetzt 25 Jahre her. Ich habe dort schreckliche, aber auch viele tolle Dinge gesehen. Dinge, die ich sonst in meinem ganzen Leben nie gesehen hätte, wie zum Beispiel die Berggorillas in den Nebelwäldern. Die habe ich besucht, weil ich natürlich immer schon eine Affinität zu Tieren hatte.

Ja, das habe ich einige Jahre gemacht und bin dann der Liebe wegen nach Düsseldorf gezogen und habe mir dort einen anderen Job gesucht. Ich war noch einige Jahre bei einer internationalen Unternehmensberatung. Insgesamt habe ich zehn Jahre Vollzeit im Büro gearbeitet, bin aber nebenbei immer geritten. Im Jahr 2003 habe ich ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub genommen, um auf einer Ranch in New Mexico zu arbeiten. Und danach war ich so verstrahlt, dann konnte ich nicht mehr ins Büro gehen. Das war dann vorbei (lacht).

„Ich bin vielleicht ein bisschen eigenbrötlerisch“

Wenn man Dich googelt, dann findet man häufiger mal den Satz von Dir, dass Du mit Pferden mehr anfangen kannst als mit Menschen. Ist der aus Versehen ins Netz geraten oder stimmt das?

Nein das stimmt schon. Also….wie soll ich das ausdrücken? Pferde lassen sich nicht beeindrucken von irgendwelchen Äußerlichkeiten. Oder von etwas, das anderen Menschen vielleicht wichtig ist. Man muss nicht ständig mit denen reden. Ich finde die Gegenwart von Pferden einfach wunderbar. Und ich finde die Gegenwart von Menschen nicht immer wunderbar. Ich kann auch mal ganz gut ohne Menschen. Und ich bin sehr gerne unter Pferden einfach. Vielleicht bin ich auch ein bisschen eigenbrötlerisch. Ich kann sehr gut alleine sein und bin dann auch wie gesagt wirklich gerne bei Pferden. Das war schon als Kind so. Und das hat mich wahrscheinlich auch geprägt.

So gesehen bist Du mit dem, was Du machst, also „angekommen“ in Deinem Leben?

Absolut. Mal ganz groß gesagt: Ich sehe es weiterhin als meine Mission an, zu versuchen, dass die Welt ein besserer Ort für Pferde wird.

Sandra, wir danken Dir sehr herzlich für das Gespräch und wünschen Dir viel Glück und Erfolg für die Zukunft.


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