Pferdepodcast-Miniserie: Irrtümer in der Pferdeausbildung

Foto: Cadmos-Verlag

Wenn das Pferd beim Reiten am Maul schäumt, dann ist das ein gutes Zeichen. Pferde wachsen bis zum siebten Lebensjahr in die Höhe. Manche Pferde schlagen beim Reiten aus Gewohnheit mit dem Schweif. Gebisslos reiten ist prinzipiell pferdefreundlicher als das Reiten mit Gebiss. Es schadet nicht, wenn ein Pferd täglich geritten wird.

All diese Sätze und Meinungen kursieren unter Reitern. Aber stimmen sie auch? Damit hat sich die Osteopathin Barbara Welter-Boeller gemeinsam mit Kollegen in einem Buch beschäftigt, das im Cadmos-Verlag erschienen ist: „Die 50 häufigsten Irrtümer in der Pferdeausbildung“.

Der Pferdepodcast hat sich ausführlich mit der Autorin unterhalten und stellt einige der populärsten Irrtümer in einer Miniserie vor. Der erste Teil der Serie ist in Episode 38 des Pferdepodcasts („Der doppelte Oxer“) zu hören (bitte hier klicken, um zu den Shownotes und weiteren Themen der Sendung zu gelangen). Es geht um das Wachstum von Jungpferden, ab welchem Pferdealter man bedenkenlos ins Training einsteigen kann und welche Grenzen dabei nicht überschritten werden sollten.

Das Interview:

Frau Welter-Boeller, bevor wir in die Details gehen: Wie sind Sie darauf gekommen, dieses Buch zu schreiben. Was ist Ihr Hintergrund?

„Ich bin Pferde-Osteopathin. Also eigentlich: Human-Physiotherapeutin von Hause aus, aber war immer Reiterin. Und dann habe ich Pferde-Osteopathie gemacht und bilde auch Tierärzte, Physiotherapeuten und Trainer aus. Ich komme immer dann ins Spiel, wenn etwas schief gelaufen ist im Training. Anders als die Trainer, die ein gesundes dreijähriges oder fünfjähriges Pferd übernehmen und das Pferd gibt alles, was es kann – ich komme dann, wenn die Pferde sechs, sieben, acht Jahre alt sind und vielleicht durch falsches Training Probleme haben. Rittigkeitsprobleme oder Probleme durch Fehler im Training, die man hätte vermeiden können. Ich bin praktisch die Reklamationsstelle, wenn im Training etwas falsch läuft. Und um den Pferden das zu ersparen, war es mir wichtig zu sagen, okay, ich beschreibe mal, wie von meiner Seite aus ein Training sein sollte, wo die größten Trainingsdefizite sind und in welchen Momenten das Pferd Schaden nimmt, weil man bestimmte Schritte nicht einhält.“


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Das ist genau unser Thema, denn wir beschäftigen uns in unserem Podcast ja mit der Ausbildung des jungen Haflingers AC/DC. Wenn wir speziell über junge Pferde reden: Da ist ja das Wachstum ein entscheidender Punkt. Es heißt ja immer, dass Pferde bis zum siebten Lebensjahr in die Höhe wachsen. Dahinter steckt auch die Frage, wann kann man beginnen mit dem Training und in welcher Intensität ist das pferdegerecht?

„Also es gibt den alten sehr schönen Spruch der alten Reiter, ein dreijähriges Pferd sollte dreimal in der Woche arbeiten, ein vierjähriges viermal und ein fünfjähriges fünfmal. Das entspricht eigentlich einem gesunden Trainingszyklus. Man kann mit einem dreijährigen Pferd beginnen, muss es aber in der Dehnungshaltung haben, also in seiner physiologischen Gebrauchshaltung und das dreimal in der Woche. Und dazwischen müssen immer 72 Stunden Pause liegen, damit sich die Reize auf die Knochen und Muskeln adaptieren können. Je mehr das Pferd in die Kraft kommt, desto mehr kann ich es dann auch belasten. Vom Wachstum her ist es so, dass die Knorpelkappen erst mit sieben Jahren am Widerrist fest gebunden sind und auch das Kreuzbein hinten, das die Gruppe bildet, ist erst mit vier Jahren fest verschmolzen. Also kann man sagen, mit vier Jahren ist das Pferd auch knöchern bereit, um Belastung auszuhalten, ohne dass sich das Skelett negativ verändert durch zu viel Muskeltraining.“


Du würdest dem Pferdepodcast gerne finanziell etwas Gutes tun? Das musst Du nicht. Nein, wirklich nicht. Du willst uns trotzdem gerne ein paar Euro zustecken, weil es ja auch technische Kosten gibt und Du magst unseren Podcast halt einfach gut leiden und wir sollen uns jetzt mal nicht so anstellen? Also gut, dann mach mal. Hier:


Daran schließt sich die Frage an: Wie ist das, wenn das Pferd ausgewachsen und erwachsen ist. Es heißt immer, es schade nicht, wenn man das Pferd täglich reitet. Sie sagen, dass bei jungen Pferden 72 Stunden zwischen den Einheiten liegen sollten. Wie ist es beim erwachsenen Pferd?

„Die eine Sache ist, ob Sie trainieren, ob Sie überschwellige Reize setzen. Wenn ich ein dreijähriges Pferd anreite, dann muss ich den Körper vorbereiten auf die Belastung. Auch das Reitergewicht ist ja eine Belastung, das ist auch eine Kraftausdauer, die das Pferd leisten muss. Also muss ich es erstmal vom Boden aufbauen mit seinem Eigengewicht. Und es reicht wirklich jeden dritten Tag, weil die Adaptationszeiten der Gewebe 72 Stunden brauchen. Wenn ich dann ein Erhaltungstraining mache, das bedeutet ich mache keinen überschwelligen Reiz, ich reite immer das Gleiche, dann kann ich das jeden Tag machen. Wobei aber die Kompression in der Sattellage das Problem ist. Sie können alles trainieren, aber was Sie nicht trainieren können, ist Kompression, also Druckschäden.

Und das sieht man immer in der Sattellage, sonst würde die Sattellage ja nicht nachgeben, sondern besser werden. Die Sattellage braucht eigentlich zwei Tage, um sich vom Druck zu erholen. Das ist immer abhängig davon, wie lange sitze ich auf dem Pferd, wie schwer bin ich als Reiter, was habe ich für einen Sattel. Da erwarte ich natürlich das beste Equipment. Aber wenn ich merke, dass die Sattellage sich sehr abdrückt, dann ist es sicher gut, mal wieder ein, zwei Tage Pause zu machen. Die Knochen können ein Erhaltungstraining aushalten, die Faszien auch und die Muskeln auch, aber die Kompression in der Sattellage kann ich leider nicht trainieren.“

Sie sagen, Sie erwarten bestes Equipment. Also spielt der Sattel bei dem Problem der Kompression eine große Rolle?

„Ja. Es ist so, dass die Pferde, wenn man jung beginnt, eine hinter dem Widerrist ansteigende Rückenlinie haben, weil der Brustkorb des Pferdes ist zwischen den beiden Schulterblättern muskulär und mit Faszien aufgehangen. Das heisst, auch wenn man das Pferd trainiert und diese Muskulatur wird stärker, dann wächst das Pferd auch im Widerrist, weil der Rumpf dann zwischen den Schulterblättern angehoben wird muskulär. Dann entwickelt sich eine gute Rückenlinie, eine gerade Rückenlinie. Da ist meine Idee oder Forderung, das Pferd erstmal vom Boden aus so zu trainieren, dass die Rückenlinie gut wird, dass das Pferd ein bis drei Zentimeter wächst und dass man dann erst den Sattel anpasst.

Denn wenn man sonst den Schwung des Sattels – das ist die Linie, die parallel zum Rücken läuft -, auf eine falsche Rückenlinie einstellt, hat das Pferd keine Chance, den Rumpf gegen das Kopfeisen zu heben. Deswegen sollte man erst eine gute Rückenlinie entwickeln und dann – und das dauert zwölf Wochen ungefähr -, dann kann man den Sattel anpassen lassen. Und dann sollte man den besten Sattel nehmen, die beste Anpassung, weil das ist ja für das Pferd die erste Konditionierung. Und wenn man dann schon einen schlecht sitzenden Sattel hat, dann kann man von dem Pferd weder Losgelassenheit noch Freude an der Arbeit erwarten.“

Wir bedanken uns für das Gespräch.

Hier geht’s zu den Shownotes und weiteren Themen in Episode 38 des Pferdepodcasts.


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4 Kommentare zu „Pferdepodcast-Miniserie: Irrtümer in der Pferdeausbildung

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